Rede aus Anlass der Vernissage zur Ausstellung im
Solitaire Galerie & Solitaire Kulturtreff Berlin
Am 16. Februar 2018
von Claas Dennis Mark
Lieber Dirk, liebe Gäste und Freunde der Kunst,
Bevor ich mich der schwierigen Aufgabe widme Dirks Kunst zu beschreiben möchte ich mich auf einen Exkurs an einen vielleicht überraschenden Ort begeben. In die Renaissance. Denn ich denke in
dieser Epoche, die eine verlorene Ästhetik wiederfindet, kann ein großartiges Gleichnis für Dirks Kunst gefunden werden, wie sehr sie sich auch von seiner Formsprache unterscheiden Mag. In der
Renaissance gab es eine lange Diskussion ob die Bildnerische Kunst auf eine Stufe gestellt werden kann wie die Literatur.
Ob also Skulptur gleichberechtigt neben Dichtung stehen darf. Aus heutiger Sicht ein fruchtloser Diskurs, doch im 15. Jahrhundert ein umstrittenes Thema.
Im Kern geht es jedoch um die Frage ob das Bild dieselbe Bedeutungsschwere haben kann wie das Wort. Schauen sie sich um in Dirks Ausstellung. Hier können sie eventuell für sich die Antwort auf
diese Frage finden. Welches Werk sie auch immer vor sich haben mögen, sie sind alle gefüllt mit Bedeutung, mit Möglichkeiten.
In Dirks Kunst findet sich ein interessantes Paradoxon: Auf den ersten Blick sieht der Betrachter geerdete figürliche Plastiken aus Ton. Wagt er oder sie sich jedoch einen Schritt weiter und
versucht die Aussage der Kunst zu entschlüsseln, überschwemmt diese ihn geradezu mit einer großartigen Bedeutungsfülle. Jedes der Kunstwerke von der kleinen Groteske, bis hin zu den großen
vielfigürlichen Arbeiten, schöpft in den ikonographischen Möglichkeiten aus dem Vollen.
Dirks Kunst ist in jedem Schritt durchdacht, sie ist reflektiert und trotz ihrer scheinbar antimodernen Form, zutiefst Modern. Sie spielt mit der Informationsvielfalt unseres heutigen
technologisierten Zeitalters, in der jede Information nur einen Klick entfernt scheint. Indem sie nicht eindeutig ist, nicht einfach und doch so gefüllt mit Schaffenskraft und Informationsfülle,
dass sie niemals Langweilig sein kann. Hier findet sich eine der beeindruckendsten Fähigkeiten die Dirk sein Eigen nennen kann.
Seine Fähigkeit sich und seiner Kunst Bedeutungsfülle anzueignen. Er nutzt die große historische Tiefe die das Informationszeitalter bietet um einer Vielzahl von Themen in seiner Kunst Ausdruck
zu verleihen. So finden in seinem Oeuvre zeitgenössische Themen einen Platz neben Zeitlosen, politische neben menschlichen. Immer berührt von seiner Schöpfungskraft und seinem unvergleichlichen
Stil.
Auch in dem Stil möchte ich einen Vergleich zu der Renaissance ziehen. Die Künstler dieser Zeit hatten sich von den Bildwerken des Mittelalters abgewendet. Hin zu der Kunst der Antike, seinen
klaren Formen und perfekten Geometrie. Bei Dirk findet sich etwas ähnliches eine Verbindung zu einer vergangenen Zeit, aber eben nicht zu der Antike sondern zu eben dem Mittelalterlichen
Bildduktus von dem sich die Renaissancekünstler abgewendet hatten.
Er tauscht die glatte Perfektion unserer Zeit, die uns von jeder Plakatwand und jedem Bildschirm an glimmt gegen eine menschliche Form, eine Imperfekte und damit eine Interessante. Die Werbung
kann uns häufig genug nicht mehr Fassen, weil wir dieselben weiß zahnigen Gesichter zu häufig gesehen haben und ihre Leeren Aussagen zu lange über uns haben ergehen lassen. Hier wird uns Dirks
Kunst zu einem Refugium.
Sie zeigt nicht die Perfektion eines Achill oder einer Venus, sondern spiegelt die Menschlichkeit in uns wieder. Dirks Kunst ist bewusst Antimodern und gleichzeitig Antiklassisch. Ich möchte hier
die gewagte Behauptung Aufstellen, dass sie dadurch zu etwas völlig Neuem wird. Indem sie neue Ideen in einer alten Sprache spricht. Ein tiefer Eklektizismus durchgreift sein Werk.
Von der Romantik Caspar David Friedrichs, die sich in den Mönchen wiederfindet, bis hin zu der Durchbrechung der „Leinwand“ in der Kunst des Zero. Es sind anklänge von Renoir zu finden, von
Leonardos Grotesken, von Daumiers satirischen Motiven. Doch all dies, und das macht den wahren Künstler am Ende aus, gefüllt mit der eigenen Schöpfungskraft. Alles was Dirk Detlefsen produziert
ist vollständig und wahrhaftig seins.
Sein Stil, seine Gedanken. In einer Zeit, in der wir von Bildern umgeben sind, in der Bilder in einem gewissen Rahmen beliebig erscheinen, ist es sein unverwechselbarer Ausdruck der seine Kunst
wirklich herausstechen lässt. Was sie hier vorfinden können sind nicht bloße Abarbeitungen an Themen und Künstlern. Es sind Aneignungen.
Er nimmt die Zeitlosen Themen die uns in der Kulturgeschichte immer wieder begegnen, weil sie Menschlich sind, und formt sie in Ton.
Es ist unmöglich über die Kunst von Dirk zu reden ohne ein Wort über den Ton als Material zu verlieren. Übersehener Baustoff. Sicherlich in der modernen Keramik vertreten, aber grade hier
unterscheidet sich der Künstler in seiner bewusst antimodernen Form. Dirks Kunst ist Rund, gegen das eckige des frühen 20. Jahrhunderts. Sie wirkt damit auf die beste weise Bodenständig. So
selten wir auch bewusst Keramik sehen, so sehr ist der Ton in unserem Verständnis belastet mit einem Stigma des gewöhnlichen.
Und aus diesem Material macht Dirk etwas Außergewöhnliches. Auffallend ist die Steinsichtigkeit, keine Unnötige Ausschmückungen. Die Kunst ist ehrlich. Politische Kunst. Aussagestärke in einer
Eindeutigkeit, gegen den hochsymbolischen schwer zu fassenden Charakter der romantisch zu nennenden Werke (Hesse). Menschlich Wozu führt uns das alles. So eindrücklich und verständlich Dirk
Detlefsen figürliche Kunst auf den ersten Blick wirken mögen. So schwierig ist es sie zu fassen. Der Künstler ist einfach zu vielseitig, um in einem Satz erklärt werden zu können.
Was jedoch als das wirklich Beeindruckende an seiner Kunst auffällt, ist die Forderung des Werkes sich mit ihm auseinander zu setzen. Etwas das wir, vielleicht ohne direkt den Finger darauf legen
zu können, in der modernen Kunst häufig vermissen. Es ist keine Kunst um der Kunst willen.
Es sind Bildwerke, die Kommunizieren möchten, die nach Interpretation verlangen und erst wenn wir diesem Drang nachgeben und uns dem Werk unter diesem Aspekt nähern merken wir die vielseitige
Bedeutungsstruktur, die jedem dieser Kleinode anheftet. Es ist Kunst die für den Betrachter geschaffen ist, manchmal unangenehm, manchmal grotesk, manchmal nachdenklich, aber immer von großem
Mehrwert.
Dirk versteht diese intellektuelle Fülle in einer bodenständigen Form darzustellen, die sie von jedem Vorwurf des Prätentiösen befreit. So sehr die Werke Lehren möchten, sie sind nie belehrend.
Sie bevormunden den Betrachter nicht sondern lassen ihn atmen. Welchen Zugriff man auch immer zu dieser Kunst haben mag, eins kann mit Sicherheit gesagt werden: Dirk Detlefsen schafft nicht bloß
Kunst mit Bedeutung, er schafft bedeutsame Kunst, verkleidet in Ton, der dem Objekt einen bodenständigen Mantel von Demut umlegt.